Claus Biederstaedt

deutscher Schauspieler

Claus Biederstaedt (* 28. Juni 1928 in Stargard in Pommern; † 18. Juni 2020 in Eichenau, Oberbayern[1]) war ein deutscher Schauspieler und Synchronsprecher.

Claus Biederstaedt

Kindheit und Jugend

Bearbeiten

Claus Biederstaedt wurde als einziger Sohn des Studienrats Fritz Biederstaedt (1897–1973, laut Grabstein) und seiner Frau Lucie, geb. Krumbiegel, in Stargard geboren.[2] Sein Vater unterrichtete Musik und Kunstgeschichte an der Stargarder Mädchenoberschule und war zudem als Dirigent und Organist tätig.[3][4][5][6][7]

Wie für seinen Vater spielte Musik in Claus Biederstaedts Leben eine große Rolle, sie war für ihn „von Kindesbeinen an das Größte überhaupt“. Der Vater wurde als Reserveoffizier während des Zweiten Weltkriegs eingezogen und diente an der Ostfront in einem Generalstab. Der Großvater Paul Biederstaedt († 1935) war Superintendent der Marienkirche in Prenzlau. Ihm verdankte Claus Biederstaedt indirekt seine Rettung aus einem von den Russen eingeschlossenen Kessel am Ende des Zweiten Weltkrieges, weil der Fahrer eines Militär-Lkw seinen Großvater kannte und ihn deswegen mitnahm. Seine Kameraden kamen alle ums Leben.[3]

Der ursprüngliche Berufswunsch des Vaters war Opernkapellmeister gewesen. Bei ihm erlernte Claus Biederstaedt das Klavier- und Orgelspiel und sang in dessen Chor mit. Seine Mutter war sehr kunstinteressiert und musikalisch. Sie übernahm wiederholt Solopartien, z. B. in Händels Messias oder im Bachschen Weihnachtsoratorium. Als Kind bewunderte Biederstaedt Ernst Udet, mit dem er einmal mitfliegen durfte, weil dieser indirekt mit Biederstaedts Eltern bekannt war. Daraus entwickelte sich eine Schwärmerei für den Beruf des Piloten.[8]

Im Alter von 15 Jahren wurde Claus Biederstaedt Flakhelfer,[3] mit 16 wurde der Schüler des Gröning-Gymnasiums[3] an die Ostfront einberufen. Nachdem seine Mitschüler alle gefallen waren, gelang es ihm gerade noch, mit einem verwundeten Kameraden vor den heranrückenden sowjetischen Truppen in Richtung Westen zu fliehen. Biederstaedts Mutter, ebenfalls auf einem Treck nach Westen unterwegs, war aufgrund der desolaten Lage der festen Überzeugung, ihr einziger Sohn Claus sei gefallen, nahm sich daher mit einer Zyankalikapsel das Leben und wurde in einem Massengrab beigesetzt.[3][9]

Nachdem er wieder mit seinem Vater zusammengetroffen war, zogen beide nach Hamburg. Dort besuchte er das Wilhelm-Gymnasium, um sein Abitur nachzuholen,[10] das er mit Großem Latinum und Graecum ablegte.[3] Nebenbei sang er im Chor seines Vaters mit. Einer seiner Mitschüler am Gymnasium war Joachim Kaiser.[9] Biederstaedt entschloss sich zu einem Medizinstudium, um Arzt zu werden.[9] Im vierten Semester erkannte er jedoch, dass er dafür nicht geeignet war.[11]

Schauspiel und Theater

Bearbeiten

Als er mit seinem Chor bei einem Theaterstück auf der Bühne stand, lernte er Will Quadflieg kennen und schätzen. Dieser gab ihm an der Schauspielschule des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg Unterricht und wurde zu seinem Vorbild.[8][12] Unterrichtet wurde er auch durch Joseph Offenbach und Josef Dahmen. Unter Offenbach war er zeitweise als Regieassistent tätig. Er erlernte das Fechten, rhythmische Gymnastik, Kostümkunde, Literaturgeschichte, Sprechtechnik und das Rollenstudium. Nach der Abschlussprüfung vor der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger[8] spielte er als Theaterschauspieler unter anderem an den Bühnen in Hamburg, Berlin, München, Köln und Wiesbaden.[9] Biederstaedt arbeitete in späteren Jahren auch als Theaterregisseur und inszenierte unter anderem 1985 Des Teufels General, 1986 Der Hauptmann von Köpenick und 1993 Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang. Er stand mehr als 1.000 Mal gemeinsam mit den Schauspielerinnen Karin Dor und Angélique Duvier in dem Stück Der Neurosenkavalier von Gunther Beth auf der Bühne, zuletzt 2008 in Essen.

Kino und Fernsehen

Bearbeiten

1952 gab Biederstaedt in Die große Versuchung sein Filmdebüt und erhielt dafür den Deutschen Filmpreis als Bester Nachwuchsschauspieler.[10] In späteren Jahren trat Biederstaedt auch häufig im Fernsehen auf; unter anderem spielte er 1963 an der Seite von Heidelinde Weis die männliche Hauptrolle in der zwanzigteiligen Fernsehserie Meine Frau Susanne.[13]

Synchronisation und Sprecherrollen

Bearbeiten

Ab 1960 arbeitete Claus Biederstaedt als Synchronsprecher. So lieh er seine Stimme häufig Marlon Brando (u. a. in Der letzte Tango in Paris oder Queimada), James Garner (deutsche Standard-Synchronstimme seit Detektiv Rockford – Anruf genügt), Peter O’Toole (Wie klaut man eine Million?), Peter Falk (Columbo), Vittorio Gassman (u. a. Das Leben ist ein Roman oder Verliebt in scharfe Kurven) und Yves Montand (u. a. César und Rosalie oder Vincent, François, Paul und die anderen).[9]

Seit Anfang der 1950er Jahre bis Mitte der 1980er Jahre wirkte er in zahlreichen Hörspielen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit. In der Fernsehserie Raumpatrouille (1966) sprach er den Einführungstext „Was heute noch wie ein Märchen klingt …“. Als Erzähler aus dem Off kam er unter anderem in der TV-Produktion Es muß nicht immer Kaviar sein (1977) zum Einsatz. Seine Stimme war auch in der Werbung zu hören. Der bekannteste Spot mit Biederstaedt als Sprecher war Anfang der 1990er Jahre der für das Audi-Procon-ten-System. Nach dem Tod von Achim Höppner übernahm er dessen Part bei der Hörbuch-Produktion von Golo Manns Deutsche Geschichte als Komplettausgabe auf 37 CDs des Züricher Diogenes Verlags.

Ehe und Familie

Bearbeiten

Claus Biederstaedt war ab 1974 in zweiter Ehe verheiratet und hatte einen Sohn (* 1961) aus erster Ehe, der ausgebildeter Filmeditor ist.[14][15][16] Er lebte zuletzt in Eichenau.[17][9]

Krankheit und Tod

Bearbeiten

Im August 2008 musste er im Alter von 80 Jahren seine beruflichen Engagements aufgeben. Eine Krebserkrankung wurde diagnostiziert, die zahlreiche Operationen erforderlich machte und zum Verlust des größten Teils seiner Zunge führte.[9][11][18] Claus Biederstaedt starb im Juni 2020, wenige Tage vor seinem 92. Geburtstag. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Gemeindefriedhof von Eichenau, Landkreis Fürstenfeldbruck.[19]

Ehrungen

Bearbeiten

Filmografie

Bearbeiten

Fernsehen (Auswahl)

Bearbeiten
  • 1959: Die Liebe des Jahres (Fernsehfilm)
  • 1962: Letzter Punkt der Tagesordnung (Fernsehfilm)
  • 1963: Schwiegerväter (Fernsehfilm)
  • 1963: Meine Frau Susanne (Fernsehserie)
  • 1963: Der Hexer (Fernsehfilm)
  • 1964: Komödie der Irrungen (Fernsehfilm)
  • 1965: Caesar und Cleopatra (Fernsehfilm)
  • 1966: Geschichte des Rittmeisters Schach von Wuthenow (Fernsehfilm)
  • 1966: Hava, der Igel (Fernsehfilm)
  • 1967: Nobile – Sieben Wochen auf dem Eis (Fernsehserie)
  • 1968: Diese Frau zum Beispiel (Fernsehfilm)
  • 1968: Der blaue Strohhut (Fernsehfilm)
  • 1968: Flachsmann als Erzieher (Fernsehfilm)
  • 1970: Gefährliche Neugier (Fernsehfilm)
  • 1970: Die lieben Freunde (Fernsehfilm)
  • 1970: Auf und davon (Fernsehfilm)
  • 1971: Der Kommissar – Kellner Windeck (Fernsehserie)
  • 1972: Scheidung auf musikalisch (Fernsehfilm)
  • 1972: Ein Chirurg erinnert sich (Fernsehserie)
  • 1973: Bleib’ wie Du bist (Fernsehfilm)
  • 1973: Okay S.I.R. – Alte Rechnungen (Fernsehserie)
  • 1974: Unter einem Dach – Das große Ding
  • 1974: Tausend Francs Belohnung (Fernsehfilm)
  • 1974: Der Kommissar – Der Liebespaarmörder
  • 1975: Beschlossen und verkündet – Alle Vorteile gelten (Fernsehserie)
  • 1975: Der Kommissar – Eine Grenzüberschreitung
  • 1976: Der Kommissar – Der Held des Tages
  • 1976: Festival für einen Gauner (Fernsehfilm)
  • 1977: Haben Sie nichts zu verzollen? (Fernsehfilm)
  • 1977: Es muß nicht immer Kaviar sein (Fernsehserie, Off-Stimme Erzähler)
  • 1977: Sonderdezernat K1 – Tod eines Schrankenwärters (Fernsehserie)
  • 1978–1982: Die unsterblichen Methoden des Franz Josef Wanninger (Fernsehserie, 60 Folgen)
  • 1979: Derrick – Schubachs Rückkehr
  • 1980: Polizeiinspektion 1 – Die unangenehme Sache mit Berndi (Fernsehserie)
  • 1980: Der Alte – Bruderliebe (Fernsehserie)
  • 1981: Der Alte – Schwarzer Montag (Fernsehserie)
  • 1982: Wasser für die Blumen (Fernsehfilm)
  • 1982: Zwei Tote im Sender und Don Carlos im PoGl (Fernsehfilm)
  • 1982: Ehe oder Liebe (Boulevardkomödie)
  • 1982: Sonderdezernat K1 – Das masurische Handtuch
  • 1982: Villa zu vermieten (Fernsehfilm)
  • 1982: Derrick – Ein unheimliches Erlebnis
  • 1983: Unsere schönsten Jahre (Fernsehserie)
  • 1983: Polizeiinspektion 1 – Erziehungsfragen (Fernsehserie)
  • 1984: Berliner Weiße mit Schuß (Fernsehserie)
  • 1985: Es muß nicht immer Mord sein – Nachbarschaftshilfe (Fernsehserie)
  • 1985: Derrick – Tod eines jungen Mädchens
  • 1986: Die Krimistunde (Fernsehserie, Folge 21, Episode: „Steckenpferderennen“)
  • 1988: Die Schwarzwaldklinik – Der Anfang vom Ende? (Fernsehserie)
  • 1988: Die Schwarzwaldklinik – Wie Du mir so ich Dir (Fernsehserie)
  • 1989: Der Alte – Ein Tag der Angst (Fernsehserie)
  • 1993: Derrick – Die seltsame Sache Liebe
  • 2011: Germaine Damar – Der tanzende Stern (DVD-Dokumentation)

Synchron (Auswahl)

Bearbeiten

Hörspiele (Auswahl)

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Claus Biederstaedt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Claus Biederstaedt ist gestorben. In: sueddeutsche.de. 21. Juni 2020, abgerufen am 21. Juni 2020.
  2. Vgl. Glenzdorfs Internationales Film-Lexikon. Biographisches Handbuch für das gesamte Filmwesen, Bd. 1: A-Heck, Prominent-Filmverlag, Bad Münder (Deister) 1960, S. 126.
  3. a b c d e f Gudrun Gloth: Ich dachte, das sei mein Ende… Gespräche mit Zeitzeugen über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 2015, ISBN 978-3-7766-8223-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 22. Juni 2020]).
  4. Fritz Biederstaedt in der Bibliothek für bildungsgeschichtliche Forschung.
  5. Fritz Biederstaedt in: Pommersche Musikgeschichte - Historischer Überblick und Lebensbilder, Ausgabe 28, 1988.
  6. Fritz Biederstaedt in: Volker Detlef Heydorn: Nachrichtennahaufklärung (Ost) und sowjetrussisches Heeresfunkwesen bis 1945. Rombach, Freiburg 1985. ISBN 978-3-7930-0187-4.
  7. Fritz Biederstaedt Nachruf in: Baltische Studien.
  8. a b c Claus Biederstaedt im Gespräch mit Wolfgang Binder (PDF-Datei; 53 KB). In: Bayerischer Rundfunk vom 12. Dezember 2003, auf: br.de
  9. a b c d e f g Gerhard Fischer: „Ich bin dankbar, dass ich die goldenen Zeiten miterleben durfte“. In: Süddeutsche Zeitung vom 22. Juni 2018, auf: süddeutsche.de
  10. a b Andreas Zemke: 1972: Interview mit Claus Biederstaedt. In: Deutsche Welle vom 18. September 2013, auf: dw.com
  11. a b Heinz Fiedler: Der Dauer-Bräutigam im Unterhaltungskino (Memento des Originals vom 22. Juni 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sz-online.de. In: Sächsische Zeitung vom 11. März 2017, auf: sz-online.de (nicht mehr verfügbar), Artikelvorschau (Memento des Originals vom 27. März 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.genios.de bei Genios
  12. „Aber in München passiert ihnen das nicht“. In: Stimme vom 25. Juli 2007, auf: stimme.de
  13. Serien-Klassiker „Meine Frau Susanne“ ist nun auf DVD erhältlich (Memento des Originals vom 22. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/buch-film.com, buch-film.com, 22. Mai 2016
  14. Diebstahl, Verfolgungsjagd, Schüsse und ein kleiner Trick: Krimi um Sohn von Film-Legende Claus Biederstaedt: So trickste Tom die Autodiebe aus. tz.de, 28. Januar 2019.
  15. Claus Biederstaedt mit Ehefrau und ihrem Sohn, 1961. keypix.de, abgerufen am 27. März 2019.
  16. Promi-Geburtstag vom 28. Juni 2018: Claus Biederstaedt. volksstimme.de, 28. Juni 2018.
  17. Vom Glück zu leben, gustl-magazin.de, 12. Januar 2017
  18. Zunge amputiert, Krebs besiegt. bild.de, 22. Dezember 2011.
  19. Klaus Nerger: Das Grab von Claus Biederstaedt. In: knerger.de. Abgerufen am 18. November 2020.