„Reaktionsnorm“ – Versionsunterschied

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→‎Individuelle Reaktionsnorm: Wenn man eine Variationsbreite messen will, sollte man keine Ordinalskala benutzen. Dieser Kunstfehler hat mit dem Thema nichts zu tun, raus.
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Setzt man erbgleiche Lebewesen verschieden beschaffenen Umwelten aus, so werden sie in vielen Merkmalen unterschiedliche Erscheinungsformen entwickeln. Setzt man umgekehrt genetisch unterschiedliche Lebewesen der gleichen [[Art (Biologie)|Art]] der gleichen Umwelt aus, so entwickeln sie allein aufgrund der unterschiedlichen Allele verschiedene Erscheinungsformen. In realen [[Population (Biologie)|Populationen]] in realen Lebensräumen herrscht deshalb eine [[Phänotypische Variation|phänotypische Variabilität]], die sowohl auf die [[genetische Variabilität]] zwischen den Individuen als auch auf die Variabilität der individuell erlebten Umweltparameter zurückgeht. Die phänotypischen Veränderungen, die nicht durch unterschiedliche Gene, sondern durch unterschiedliche Umwelteinflüsse hervorgerufen werden, nennt man [[Modifikation (Biologie)|Modifikationen]].
Setzt man erbgleiche Lebewesen verschieden beschaffenen Umwelten aus, so werden sie in vielen Merkmalen unterschiedliche Erscheinungsformen entwickeln. Setzt man umgekehrt genetisch unterschiedliche Lebewesen der gleichen [[Art (Biologie)|Art]] der gleichen Umwelt aus, so entwickeln sie allein aufgrund der unterschiedlichen Allele verschiedene Erscheinungsformen. In realen [[Population (Biologie)|Populationen]] in realen Lebensräumen herrscht deshalb eine [[Phänotypische Variation|phänotypische Variabilität]], die sowohl auf die [[genetische Variabilität]] zwischen den Individuen als auch auf die Variabilität der individuell erlebten Umweltparameter zurückgeht. Die phänotypischen Veränderungen, die nicht durch unterschiedliche Gene, sondern durch unterschiedliche Umwelteinflüsse hervorgerufen werden, nennt man [[Modifikation (Biologie)|Modifikationen]].


{{Belege}}
== Individuelle Reaktionsnorm ==
== Individuelle Reaktionsnorm ==
Bei vielen Tieren ist zum Beispiel die Haarfarbe abhängig von der Temperatur der Haarwurzeln. Ein Beispiel sind die dunkleren Fellpartien an den kühleren Extremitäten von [[Siamkatze]]n (siehe oben) oder die wechselnde Fellfarbe von [[Schneehase]]n. Auch bei [[Blüte]]nfarben gibt es solche Temperaturabhängigkeiten.
Bei vielen Tieren ist zum Beispiel die Haarfarbe abhängig von der Temperatur der Haarwurzeln. Ein Beispiel sind die dunkleren Fellpartien an den kühleren Extremitäten von [[Siamkatze]]n (siehe oben) oder die wechselnde Fellfarbe von [[Schneehase]]n. Auch bei [[Blüte]]nfarben gibt es solche Temperaturabhängigkeiten.

Version vom 30. Dezember 2013, 11:46 Uhr

Reaktionsnorm (synonym: Modifikationsbreite) ist ein Begriff der Genetik. Er bezeichnet die Variationsbreite des Phänotyps, die sich aus demselben Genotyp unter unterschiedlichen Umweltfaktoren entwickeln kann.[1][2][3] Eingeführt wurde der Begriff 1909 von Richard Woltereck.[4]

Setzt man erbgleiche Lebewesen verschieden beschaffenen Umwelten aus, so werden sie in vielen Merkmalen unterschiedliche Erscheinungsformen entwickeln. Setzt man umgekehrt genetisch unterschiedliche Lebewesen der gleichen Art der gleichen Umwelt aus, so entwickeln sie allein aufgrund der unterschiedlichen Allele verschiedene Erscheinungsformen. In realen Populationen in realen Lebensräumen herrscht deshalb eine phänotypische Variabilität, die sowohl auf die genetische Variabilität zwischen den Individuen als auch auf die Variabilität der individuell erlebten Umweltparameter zurückgeht. Die phänotypischen Veränderungen, die nicht durch unterschiedliche Gene, sondern durch unterschiedliche Umwelteinflüsse hervorgerufen werden, nennt man Modifikationen.

Individuelle Reaktionsnorm

Bei vielen Tieren ist zum Beispiel die Haarfarbe abhängig von der Temperatur der Haarwurzeln. Ein Beispiel sind die dunkleren Fellpartien an den kühleren Extremitäten von Siamkatzen (siehe oben) oder die wechselnde Fellfarbe von Schneehasen. Auch bei Blütenfarben gibt es solche Temperaturabhängigkeiten.

Populationsgenetische Reaktionsnorm

Variable Umwelten, variable Genome und komplexe Merkmale der Lebewesen können meist nur noch statistisch in Zusammenhang gebracht und interpretiert werden. In diesem Zusammenhang steht zum Beispiel die brisante Diskussion über die genetische und/oder umweltbeeinflusste Ausprägung der Intelligenz von Menschen. Sie ist mit Sicherheit genetisch mitbestimmt, da die Summe aller Gene bei gleicher Umwelt aus einer Katze eine Katze und aus einem Menschen einen Menschen machen wird. Diese Argumentation lässt sich dann auch auf unterschiedliche Menschenpopulationen und schließlich auf Individuen reduzieren.

Letztlich ist es auch die Reaktionsnorm, an der die Selektionsmechanismen der Evolution ansetzen. Wird durch eine Mutation die Reaktionsnorm so verändert, dass eine bessere Entfaltung in bestimmten Standortbedingungen möglich ist, so bedeutet dies erhöhte Fitness, also eine erhöhte Fortpflanzungsrate im Vergleich zur restlichen Population.

Ökologische Reaktionsnorm

Die Reaktionsnorm aller Individuen einer Population kann integriert werden zur Reaktionsnorm der Population in einem Ökosystem. Das führt dazu, dass an unterschiedlichen Standorten die Angehörigen von Populationen der gleichen Art unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und im Extremfall zunächst gar nicht als zur gleichen Art gehörig erkannt werden.

Ein Beispiel hierfür ist das höchst unterschiedliche Aussehen von Löwenzahn-Pflanzen auf fetten Wiesen und im Gebirge, wo sie ganzrandige, raue, kleine Blätter und kurze, gedrungene Blütenstiele zeigen.

Die Reaktionsnorm bestimmt darüber, welche Lebensräume eine Art besiedeln kann und wie ihre ökologische Nische dort beschaffen ist.

Einzelnachweise

  1. Woltereck R. (1909): Weitere experimentalle Untersuchungen über Artveränderung, speziell über das Wesen quantitativer Artenunterschiede bei Daphniden. Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, 1909:110-172.
  2. Stearns S. C., J. C. Koella (1986): The Evolution of Phenotypic Plasticity in Life-History Traits: Predictions of Reaction Norms for Age and Size at Maturity. Evolution, Vol. 40, No. 5., S. 893–913. (PDF; 5,6 MB)
  3. Ernst Mayr: Das ist Evolution. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2005, ISBN 9783442153497, S. 118.
  4. Gabriel W., M. Lynch (1992): The selective advantage of reaction norms for environmental tolerance. Journal of Evolutionary Biology 5:41–59. (PDF; 1,0 MB)